Der unbeirrbare Alltags Yogi Nr. 4
- Karin
- 9. Apr. 2020
- 4 Min. Lesezeit

Voller Zuversicht stapft der entschlossene Alltags Yogi auf seine Matte. Allein schon beim dran denken, wie toll sich das Yoga und das Atmen anfühlen wird, hebt sich die Stimmung des Alltags- Yogi. Er beginnt seine Routine mit dem stillen da Sitzen...Körper und Atem zu spüren und die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Heute ist er gut und leicht aufgestanden und hat sich gefreut, sich weiter auf der Yogamatte zu erfahren.
Das Sitzen ist – hmmm, irgendwie nicht ganz so von Ruhe durchdrungen, wie er sich das so vorgestellt hat. Naja, das wird schon noch kommen...und da er unbeirrbar in seinem Vorhaben ist, bleibt er weiterhin sitzen. Seine Stimmung ist etwas getrübt und er weiss gar nicht, warum…Er hört die Nachbarn, die ihm mit ihrem Rumgelärme ganz schön auf die Nerven gehen. Aber da er ja jetzt ein Yogi ist, lässt er sich nichts anmerken. Seine Sauerstoffflaschenatmung und seine Dampflokomotivenatmung ist schon fast fertig, als immer wieder Stimmen von der Strasse zu ihm herauf schrillen. Oh Mann, was ist denn da schon wieder los...können die mich nicht in Ruhe mein Yoga machen lassen. Wie rücksichtslos aber auch...Aber da der Alltagsyogi unbeirrbar ist, widmet er sich wieder seiner Praxis. Die letzten Schnauf-Schübe und dann ein wenig nachspüren...und schon wieder was: ein dumpfer Schlag im Nebenraum: die Katze hat wohl was umgeworfen. Grrrr, lass mich die erwischen...wie unerhört, meine heilige Zeit zu stören. Das Ausatmen bleibt ein wenig im Halse stecken...aber da der entschlossene Alltags Yogi seine Konzentration schon erheblich eingebüsst hat, fällt es ihm gar nicht mehr wirklich auf. Sein Vorhaben ist, im gesteigerten Fluss den Sonnengruss auszuführen...stramm steht er an der vorderen Mattenseite um….das Telefon klingelt – nanu, wer ruft denn so früh am Morgen an...das kann ja nur jemand sein, der noch wie was von heiliger yogischer Zeit gehört hat. Wahrscheinlich so ein gedankenloser, selbstbezogener Mitmensch. Es könnte aber auch was dringendes sein...Ein wenig verunsichert schaut der entschlossene Yogi zum Telefon, das unbeirrt weiter klingelt. Oh Mann, dieses Telefon macht micht noch wahnsinnig...und dieser miese Klingelton...Die Entspannung zu wahren, versucht der routinierte Alltagsyogi über das Telefon hinweg zu hören...was seinen Kiefermuskeln erst recht das Signal gibt, die Backenzähne aufeinander zu pressen. Im Brustraum fühlt es sich mitlerweile wie in einem Dampfkochtopf an und schliesslich springt der entschlossene Alltagsyogi hinüber zum Telefon und brüllt wohl nicht ganz so entspannt in den Hörer: “Hallllooo, was issss????” Eine entspanntere Stimme hat sich womöglich die Person am anderen Ende der Leitung erwartet und es ist nicht ganz abwägig, dass ihr die schroffe Stimme des unbeirrbaren Alltagsyogi so einen Schrecken eingejagt hat, dass sie ganz schnell wieder aufgelegt hat.
“Hallooo? Haaaaaaaalllloooooh!!!!” Niemand mehr da – so ne Frechheit. Das ganze Morgenyoga ist ruiniert und das nur weil so ein Blööööööö….also so ein wenig refktierter und spirituell unterentwickelter Mensch unentschlossen, unkonzentriert und überhaupt rücksichtslos in der Weltgeschichte rumtelefoniert. Die Rauchwölkchen steigen dem Alltagsyogi fast aus den Nasenlöchern. Seine sonst etwas fahle Gesichtsfarbe hat sich zu einem deutlichen Rot verfärbt und Mimi, die Hauskatze kratzt mal lieber vorsichthalber die Kurve. Am liebsten würde der entschlossene Alltagsyogi mit den Füssen aufstampfen – aber das gehört sich ja nicht für einen echten Yogi. Also steht er da in seinem Elend und der Wut in seinem Bauch, die er am liebsten allen Wesen, die es auf dieser ganzen weiten Welt gibt, zuschreiben möchte. Da kommt noch zu allem Überfluss die Stimme aus dem Hintergrund, die er heute noch gar nicht gehört und deshalb auch noch nicht vermisst hat:
“Du glaubst vielleicht, dass alle anderen die Ursache für Deine Wut und Deine Gefühle sind aber die Wut und jedes Gefühl ist tatsächlich in dir drinnen….ganz tief drinnen...die anderen haben nur den Knopf gedrückt, der diese aktiviert”
“Häääh – was soll denn das??? Ich und Wut??? Ich bin doch jetzt ein Yogi!!!”
“Wir bauen gerne Bilder von uns auf, die uns gefallen und wie uns die anderen sehen sollen...aber das sind Scheinbilder. Sie entsprechen meistens leider nicht der Realität! Es ist Zeit, diese Scheinbilder fallen zu lassen und echt zu werden!”
“Echt werden????” Was ist denn damit wohl gemeint...das versteht der entschlossene Alltagsyogi nun wirklich nicht und muss sich erst mal auf sein Yogakissen setzen.
Echt werden...Scheinbilder auf-und abbauen…
Naja, ein bisschen ist dem Alltagyogi schon daran gelegen, wie die anderen ihn sehen. Deshalb versteckt er mal lieber die Seiten, die die anderen nicht so sehen sollen...und sieht sie viel eher in den anderen als in sich selbst. Der nun nachdenkliche Alltagsyogi gerät ins Grübeln.
Da meldet sich auch schon wieder diese Stimme:” Es braucht oft ganz schön viel Mut, echt zu sein und zu seinen Gefühlen zu stehen. Yoga rüstet dich mit all den Werkzeugen die du brauchst, um diesen Mut zu entwickeln”.
Noch nachdenklicher sitzt der unbeirrbare Alltagsyogi auf seinem Kissen und denkt hin und denkt her...und wie gut, dass sein Kopf rund ist, denn so kann immerhin das Denken die Richtung wechseln. Die Wut weicht einer Traurigkeit, die sich zwar auch nicht supertoll anfühlt aber irgendwie weicher, als die Wut...und irgendwie scheint sie etwas in dem Alltagsyogi zu besänftigen.
Schon wieder so ein Rätsel, dass er nicht in Worte fassen kann...aber für heute fasst er keinen Entschluss mehr, irgendeinem Rätsel auf die Schliche zu kommen.
In seinem Kopf hat das Wort “Mut” einen inspirierenden Nachhall und somit stapft er zurück auf seine Matte und bewegt sich entschlossen wenngleich leicht beirrt durch seinen Sonnegruss. Als dieser abgeschlossen ist, fällt ihm wie magisch die Erinnerung an den ersten Krieger ein, den er dann auch glatt für mehr als nur einen Atemzug einnimmt. Puh, was für ein Yoga...so ganz anders als erwartet und doch irgendwie gut.
Die Nachdenklichkeit nimmt der entschlossene Alltagsyogi mit in den Tag, um der Sache mit der Wut und der Scheinwelt noch mehr auf den Grund zu gehen.
Manche Dinge geben halt nicht einfach ne direkte Antwort und brauchen wohl so ihre Zeit, bis sie erforscht und ergründet sind. Der heute etwas irritierte Alltagyogi ist weiterhin entschlossen, sich den Fragen des Lebens zu stellen. Om Shanti!
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